Es war noch nicht einmal zu der möglichen Anklage gegen Donald Trump gekommen, da starteten die Republikaner im Repräsentantenhauses schon den Frontalangriff auf die Bezirksstaatsanwaltschaft New York. Ganz wie es sich Sprecher Kevin McCarthy nur wenige Stunden nach Trumps Protestaufruf wegen der angeblichen Festnahme an diesem Dienstag gewünscht hatte. Auf vier Seiten warfen die Abgeordneten Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg aus Manhattan eine politisch motivierte Strafverfolgung vor. Er sei laut Berichten dabei, „einen nie dagewesenen Missbrauch der staatsanwaltlichen Befugnisse zu begehen“.
Sofia Dreisbach
Politische Korrespondentin für Nordamerika mit Sitz in Washington.
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Unterzeichnet war der am Montag veröffentlichte Brief von den Vorsitzenden dreier mächtiger Ausschüsse: Jim Jordan vom Justizausschuss, James Comer vom Kontrollausschuss und Bryan Steil vom Verwaltungsausschuss. Sie wollen im Zusammenhang mit dem Fall prüfen, „wie die vom Kongress bewilligten Gelder für die öffentliche Sicherheit“ von den Strafverfolgungsbehörden eingesetzt werden. McCarthy hatte nach seiner Aufforderung zu ebendiesem Schritt zugegeben, er wisse nicht, ob tatsächlich Bundesmittel für die Ermittlungen gegen Trump eingesetzt würden – deshalb bedürfe es jedoch der Nachforschungen.
Am Montag verteidigte der Sprecher dann auch den ungewöhnlichen Schritt der drei Ausschussvorsitzenden: Die Republikaner würden nur „Fragen stellen“. Daran sei nichts falsch. Bragg spiele ein „politisches Spiel“. Auf die Frage nach Trumps Aufruf zu Protesten sagte McCarthy jedoch: „Wir wollen Ruhe da draußen“ und „keine Gewalt“. Die Kongressabgeordneten wollen Staatsanwalt Bragg zu einem Interview vorladen und außerdem den Schriftverkehr zwischen seinem Büro und dem Justizministerium vorgelegt bekommen. Laut dem Brief würde nach Jahren der Ermittlungen nun eine „neuartige Rechtstheorie“ genutzt, die bislang nirgendwo angewandt worden sei. Die Staatsanwaltschaft könnte Trump laut Medienberichten wegen Dokumentenfälschung und einem Verstoß gegen das Wahlkampffinanzierungsgesetz anklagen.
Wer ist Alvin Bragg?
Die Demokraten im Repräsentantenhaus kritisierten am Montag eine „Einmischung in laufende Ermittlungen“ durch die Republikaner. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Manhattan äußerte in Reaktion auf den Brief, man werde sich weder von „Versuchen, die Justiz zu untergraben“ einschüchtern noch von „unbegründeten Anschuldigungen“ davon abhalten lassen, das Gesetz fair anzuwenden. Eine Anklage Trumps wäre historisch: Noch nie ist ein amerikanischer Präsident angeklagt worden. Gefährlich für seine Kandidatur oder eine abermalige Präsidentschaft würde ihm eine Anklage oder gar Verurteilung verfassungsrechtlich jedoch nicht.
Zur Zielscheibe aller republikanischen Kritik ist der demokratische Bezirksstaatsanwalt Bragg geworden. Bragg ist im New Yorker Stadtteil Harlem aufgewachsen und machte dort auch die Erfahrungen, die seine berufliche Laufbahn prägen sollten: Sechsmal habe er in Harlem in den Lauf einer Pistole geschaut, bei Überfällen wie Polizeikontrollen. Er habe ein Mordopfer gesehen und ein Familienmitglied auf Kaution aus dem Gefängnis geholt, erzählt er immer wieder in Interviews. All das habe ihm ein „tiefes Verständnis der Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten“ mitgegeben, die in Amerikas Justizsystem verankert seien.
Anhänger der Republikaner und Donald Trumps protestieren vor dem Büro von Alvin Bragg : Bild: AP
Braggs prominentester Fall – die mögliche Anklage Trumps – hat nun freilich wenig mit Straßenkriminalität zu tun. Doch schon bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Manhattan gegen Trumps Unternehmen im vorigen Jahr hob Bragg hervor, es gehe nicht nur um Steuervergehen. Es gehe auch um „Betrug, Lüge und Gier“. Als stellvertretender Generalstaatsanwalt von New York hatte Bragg zuvor auch Klagen gegen Trumps Unternehmen und etwa Harvey Weinstein beaufsichtigt.
Weggefährten des 49 Jahre alten Bragg attestieren ihm ein allem zugrunde liegendes Gerechtigkeitsgefühl. Er habe seine Karriere „untrennbar mit dem Ziel verwoben, Sicherheit und Gerechtigkeit“ zu erreichen, äußerte dieser denn auch beim Amtsantritt 2022. Schon in Harvard, wo Bragg Politik und Jura studierte, schrieb eine Kommilitonin in der Studentenzeitung vor knapp zwanzig Jahren über ihn, es sei faszinierend, wie er ein hitziges Streitgespräch moderiert habe. Bragg, damals Präsident der Vereinigung schwarzer Studierender, sei ein „Vermittler“.
Sofia Dreisbach, Washington
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Oliver Kühn
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Bragg, der verheiratet ist und zwei Kinder hat, scheut jedoch nicht vor Konfrontation zurück. Als frisch gewählter Bezirksstaatsanwalt – der erste Schwarze in diesem Amt – rief er heftige Kritik mit der Ankündigung hervor, bestimmte Verbrechen wie Raubüberfälle nicht mehr mit Freiheitsstrafen zu ahnden. Die Zahlen und seine persönliche Erfahrung zeigten, dass das die Lage sicherer mache, versicherte er, musste später jedoch einige Punkte zurücknehmen.
Das ist eines der Argumente, mit dem die Republikaner dieser Tage gegen Bragg wettern: Anstatt Kriminelle zu verfolgen, sei er hinter dem früheren Präsidenten her. Der Sprecher des Staatsanwalts versicherte jedoch am Montag, sie folgten dem Gesetz, um die Wahrheit herauszufinden – „ohne Furcht oder Gefälligkeiten“.
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